Sinn und Zweck eines(?) Basiswortschatzes für Grundschulen


Der kindliche Wortschatz mit vollendetem 6. Lebensjahr

Mit dem vollendeten sechsten Lebensjahr - also in der Regel das Elter, in dem ein Kind eingeschult wird - ist die Sprachentwicklung eines Kindes weitgehend abgeschlossen. Die Kinder können grammatikalisch korrekte Sätze bilden, lediglich komplexere grammatikalische Konstrukte, wie etwa das Passiv oder indirekte Rede, lernen Kinder erst mit sieben bis neun Jahren.

Im aktiven Sprachwortschatz eines Kindes, das gerade eingeschult wird umfasst etwa 1.500 bis 5.000 Wörter. Der passive Wortschatz - als die Wörter, die das Kind verstehen kann, soll sogar bereits bei mehr als 20.000 Begriffen liegen. (Quelle: Dr. phil. Melanie Lerch Dipl.-Pädagogin aus Wunstdorf - https://www.knetfeder.de/kkpwp/sprache/

Wofür dann noch ein Grundwortschatz für Grundschüler, zumal wenn dieser nur ca. 300 bis 550 Wörter enthält?

Rechtschreibkompetenz in China: Jedes einzelne Wort muss neu gelernt werden

Schüler der zweiten Grundschulklasse in der Volksrepublik China können am Ende des Schuljahres etwa 1.600 verschiedene chinesische Schriftzeichen lesen und ca. 800 verschiedene chinesische Schriftzeichen fehlerfrei schreiben. Ein einfaches Wort besteht in der chinesischen Sprache aus ein bis zwei Schriftzeichen. Die Schriftzeichen können dabei überaus komplex sein und müssen von den Schülern schlicht und einfach auswendig gelernt werden.

Hört ein chinesischer Schüler ein neues Wort, so kann er es nicht automatisch schreiben - sondern muss erst die passenden Schriftzeichen vermittelt bekommen. Stößt ein chinesischer Schüler beim Lesen auf neue Schriftzeichen, kann er diese nicht automatisch laut vorlesen.

Rechtschreibkompetenz in Deutschland: Wenige Wörter dienen als Vorbild für alle anderen Wörter

Anders als chinesische Kinder müssen Schüler in Deutschland "nur" eine Lautschrift und Rechtschreibung erlernen, um für die Zukunft und für viele neue Wörter in ihrer späteren Schullaufbahn gerüstet zu sein. So ausgerüstet kann ein deutscher Schüler oder Schülerin in der Regel neue Wörter, die er hört in der Regel fehlerfrei schreiben. Genauso kann dieser Schüler neue Wörter auf die er / sie beim Lesen eines unbekannten Textes trifft sofort fehlerfrei lesen.

Um dies bis zum Ende des vierten Schuljahres zu ermöglichen, kann es Sinn machen einen verbindlichen Modellwortschatz zu vermitteln, in dem neben üblichen Schreibweisen auch Ausnahmen von der Regel vorkommen (wie etwa Fremdwörter).

Kritik an der Idee eines Grundwortschatzes für Grundschulen

In didaktischen Kreisen kommen immer wieder kritische Stimmen in Bezug auf den Einsatz von Grundwortschätzen in der Grundschularbeit. Winfried Ulrich schreibt in seinem Buch "Wörter, Wörter, Wörter" z.B. sinngemäß, dass Wörter zu lehren als unnötig gelte, insbesondere da dies auf Grund der hohen Anzahl an Lexemen nur exemplarisch möglich sein kann.

In der aktuellen didaktischen Diskussion dagegen scheint man sich einig zu sein, Grundwortschatzarbeit in der Grundschule nur dann sinnbefreit ist, wenn diese losgelöst vom Kontext stattfindet - etwa das Auswendiglernen von Wörtern, um so gezielt (und isoliert) die Rechtschreibung zu lernen

Wird von didaktisch geübten Lehrkräften allerdings die Grundwortschatzarbeit nicht losgelöst, sondern integriert in den normalen Unterricht (bspw. dem Sachkundeunterricht) durchgeführt, etwa indem die Grundschullehrerin gezielt mit Worten aus dem Basiswortschatz arbeitet und diese in Arbeitsblätter anderer Unterrichtsfächer integriert, werden diese im Kontext gelernt und geübt und gewinnen so für den Schüler an Bedeutung.